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Als Frau zu groß? Wie du dennoch nicht richtig gesehen wirst

Als Frau zu groß? Wie du dennoch nicht richtig gesehen wirst

Veronica Wirth
Als Frau zu groß für diese Welt. Aus einem unbeweglichen Rausch in eine bewegende Zukunft. The Bold Woman

Vielleicht kennst du das Gefühl als große Frau, nicht richtig verstanden zu werden, nicht richtig gesehen zu werden, nicht wahrgenommen zu werden oder auch nicht so wahrgenommen zu werden, wie du gerne möchtest. Vielleicht sogar ausgelacht oder gemobbt zu werden, bis hin zu extrem starken Selbstzweifeln und ständiger Schauspielerei, um anderen zu gefallen? Vielleicht kennst du das Gefühl und die Frage, ob du als Frau zu groß bist? Als Frau mit 1,80m zu groß für diese Welt?


Ich kenne dieses Gefühl sehr gut. Und ich möchte mich jetzt schon bedanken, dass du dir die Zeit nimmst, an meiner Erfahrung teilzuhaben und damit dich oder deine Freundin, Bekannte, Tochter, wen auch immer, vor dem zu schützen, was mir passiert ist.

Das ist meine Bold Story:

Das mit dem „Gesehenwerden“ war für mich, mit einer Körpergröße von fast 1,80 m als Frau, nicht das Problem. Eher, wie man mich gesehen hat. Und überhaupt das Thema zu diskutieren, ob du als Frau zu groß sein könntest?

Größer als alle Mädchen, größer als alle Jungs, zu dünn, schlaksig, abstehende Ohren, dafür viel zu wenig „abstehende“ Brüste, große Nase, X-Beine.

 

Das Stigma als Frau zu groß zu sein prägte mich schon von klein an.

Mein Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl waren zu dieser Zeit nicht sonderlich ausgeprägt. Das in Kombination mit der Körpergröße sorgte dafür, dass ich niemals aufrecht, lächelnd, kraftvoll in meiner Erscheinung war, sondern eher diese Opferhaltung annahm: Schultern nach vorne, Blick zum Boden, kleine Schritte, krummer Rücken, um bloß nicht aufzufallen.


Kein Wunder, dass man mir dann auch genau das spiegelte, was ich ausstrahlte, ich bot ja genug Angriffsfläche. Nach all dem Gelächter, den Blicken und Kommentaren wie: „Hey, Dumbo!“, „Sticksi-Ixi“, oder: „Ey, Veronica, wenn du keine Füße hättest, würdest du dir Schuhe kaufen? – Wieso kaufst du dann BHs?” fühlte ich mich in meiner Wertlosigkeit tagtäglich bestätigt.

Und selbst dann, wenn keine Worte zu meinem Äußeren fielen, hatte ich stets das Gefühl, nicht willkommen zu sein. Wenn ich sprach, bekam ich oftmals einfach keine Antwort. Wenn ich dazukam, gingen andere weg.

Was ich damals nicht wusste: Ich ganz allein trug die Verantwortung dafür. Mit jeder Faser meines Körpers und jedem Gedanken habe ich die verhasste Situation verstärkt.

Ich suchte weiter nach Anerkennung und Menschen, die zu mir aufsahen. Denen ich eine Hilfe, eine Unterstützung sein konnte. Vielleicht kommt das von meinem Namen – Veronica war in der Bibel die, die Jesus das Schweißtuch beim Kreuzzug reichte und immer in großer Empathie und mit viel Mitgefühl für Schwächere agierte.

Zu Zeiten, in denen man besonders anfällig für äußere Einflüsse ist, fand ich mich in einem Umfeld wieder, in dem ich nur ein Jahr später die Hölle durchlebte. Mitten in der Pubertät, in der Sinnfindungs- & “Wer-bin-ich-bloß?”-Phase schlechthin, begegneten mir Menschen, die mich entgegen dem, was ich bislang kannte, mochten. Es schien ihnen egal zu sein, was alle anderen über mich und meine angeblich zu große Körpergröße sagten.

 

Plötzlich in einer Welt von Drogen und Gewalt – ich wollte gemocht werden. Endlich einmal bedingungslos.

Zumindest hatte ich das Gefühl, sie hatten mich gerne dabei. An die neuen Aktivitäten mit dieser Clique musste ich mich allerdings noch etwas gewöhnen. Neben den „natürlichen“ Drogen wie Marihuana, wurden hier auch ganz andere Substanzen auf den Tisch gelegt. Nicht meine Welt. Eigentlich.


Aber jetzt, wo ich schon da bin – was haben die ein Glück – kann ich ja helfen, dass sie den Mist lassen. Ich werde schon dafür sorgen, dass alle clean werden und einen Job finden. Und dann werden sie mich vermutlich NOCH mehr mögen und mir ein Leben lang dankbar sein. Soweit der Plan!

Zunächst war ich in meiner neuen Clique angesehen als die, die das meiste Geld besaß, die schönsten Klamotten trug, die höchste Schulbildung hatte, die schlicht in vielerlei Hinsicht beneidet wurde. Ich kam aus einen anderen Milieu.

Immer öfter kam es aber auch mit meinen neuen Freunden zu Streitigkeiten. Ich könne mir ja in meiner heilen Welt gar nicht vorstellen, wie es ist, unter ärmeren Bedingungen aufzuwachsen. Wie es ist, jeden Tag irgendwie über die Runden zu kommen. Wie es ist, auf Entzug zu sein, wie es ist, „drauf“ zu sein… Das konnte ich natürlich nicht so auf mir sitzen lassen. Um meinen Stellenwert in der neuen Herde nicht zu verlieren, musste ich unter Beweis stellen, dass ich bereit war, voll und ganz in diese Welt einzutauchen. Nicht mehr als objektiver Samariter außen zu stehen, sondern zu sehen, was sie sehen, zu spüren, was sie spüren.

 

Angekommen in der Hölle

Etwa ein Jahr später: Ich fand mich in einem kühlen Treppenhaus wieder. In der Ecke liegend, weinend, zitternd und nackt. Die Stelle, die an meinem Körper in diesem Moment am meisten schmerzte, war die, auf der das Möbelstück gelandet war, das er nach mir geworfen hatte. Sein Gebrüll nahm ich nur noch ganz dumpf wahr, bis die Wohnungstür ins Schloss knallte. Das Möbelstück war eines der Möbelstücke, die ich aus meinem alten Zuhause in dieses vermeintlich neue Zuhause brachte, um es bei dem Mann, der mir seine Liebe und gute Kontakte zu den besten Dealern schenkte, wohnlicher zu haben.

Wirklich zu Hause fühlte ich mich nie – aber ich hatte mich gut arrangiert. Um irgendwie durch den Tag (und die Nacht) zu kommen, „profitierten“ wir gegenseitig voneinander.

Als sich eine andere Tür im Geschoss unter mir öffnete, überkam mich eine Riesenhoffnung, dass mir jetzt jemand helfen würde. Stattdessen schrie ein Mieter: „Fresse jetzt da oben!“.


Jetzt bekam ich wirklich Angst. Komm‘ ich hier überhaupt wieder raus? Es war nicht der erste, heftige Wutausbruch, der so eskalierte, wie ich es in meinem ganzen früheren Leben niemals erlebt hatte. Dass man nach drei Tagen ohne Schlaf unter chemischen Drogen nicht mehr ganz klar denken kann, ist naheliegend. Aber diesmal war etwas anders. Ich fühlte mich lange nicht so kaputt, wie in diesem Moment.
Um mich herum zerstreut lagen all meine Sachen. Die Wenigen, die ich bis dahin noch besaß. Als ich mich zu bewegen begann, um mir etwas überzuziehen, wurde mir erst das Ausmaß meiner Verletzungen klar. Insbesondere meiner inneren Verletzungen. Ich erinnerte mich, dass ich keine Lust auf Sex hatte in dieser Nacht. Ich hatte ihn daraufhin noch nie so drängend erlebt. Ich musste mich sehr heftig wehren, bis er verstand, wie ernst es mir damit war. Er ließ auch von mir ab – ganz sicher. Aber was war danach…?

Warum erinnere ich mich an nichts weiter? Und wieso hatte ich dann solche Schmerzen zwischen meinen Beinen? Warum konnte ich kaum gehen vor Schmerz? Ich gab mir alle Mühe, den auf 40 kg abgemagerten Körper aus diesem Haus zu befördern.

 

Ein schleichender Prozess, wie sich Drogen durch Fettreserven fressen

Es war ein schleichender Prozess bis dorthin. Anfangs waren es doch bloß lange Nächte, in denen ich viel pokerte oder malte. Dann wurden es immer längere Nächte und Tage und wieder Nächte, an denen ich spürte, wie die Substanzen meine Muskeln verkrampfen ließen und meine Mimik veränderten. Hunger hatte ich nie. Durst auch nicht. Zigaretten genügten völlig als Konsummittel zwischendurch. Ich spürte nicht, wie sich die Drogen durch meine Fettreserven fraßen, bis hin zu meinen Muskeln und Knochen.


Als ich vor der Tür angekommen war, ratlos, wie es nun weiterging, wurde die Stimme in meinem Kopf immer lauter und lauter. Es war nicht meine eigene, sondern die meiner Mutter. Sie sagte mir schon als Kind in den Glanzzeiten meiner Kreativität und musischen Interessen: „Mein Kind, du kannst alles sein und alles werden, was immer du möchtest. So lange du es mit Herz und mit Leidenschaft tust. Du hast so viele Talente.“

Und in diesem Moment traf ich eine Entscheidung.

„Das ist nicht mein Leben. Ich habe so viel mehr zu bieten. Ich habe Potential und ich habe Talente. Ich kann ein wundervolles Leben führen, wenn ich das will.“, ging es mir ab diesem Tag immer wieder durch den Kopf. Wie, das wusste ich noch nicht im Ansatz.

 

Ich erschrak, als ich das Mädchen im Spiegel sah – groß, abgemagert, rot unterlaufende Augen

Angekommen in meinem Elternhaus, dem Haus voller Musik, Liebe und Obhut, schleppte ich mich zuallererst zur Dusche. Als ich danach die Tür zum Wohnzimmer öffnete, brach ich nach wenigen Schocksekunden zusammen. Mir gegenüber hing ein Spiegel. Ein großer Spiegel.

Ich blickte diesen Menschen da im Spiegel an: Ein Mädchen, das offensichtlich gerade duschen gewesen war. Nackt. Und unendlich kaputt! Ich sah in ihre toten, rot unterlaufenen Augen, ihre zusammengefallenen Wangen, ihre Rippen, die wackeligen Beine. Dieser Anblick war für mich unerträglich. Ich habe mich nicht erkannt. Ich schrie aus Verzweiflung das Mädchen im Spiegel an, wie sie es hatte so weit kommen lassen können!

Es folgte keine Therapie, sondern eine Entscheidung: Dieses Mädchen hatte ein besseres Leben verdient. Es lässt sich weder von den Narben, noch von den Schmerzen, noch von irgendeiner Sucht davon abhalten, das Leben zu leben, das ihr verdammt noch mal zusteht und mit dem sie andere inspirieren wird.
Mit ihrer Kunst? Mit ihrer Musik? Keine Ahnung, ich werde es herausfinden.

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Dann schlief ich erst mal vier Tage und Nächte durch.


Ich liess meine Mama wieder in mein Leben

Meine Mama hatte ich in dieser ganzen Zeit natürlich, so gut es ging, aus meinem Leben gedrückt. Ich wollte sie nie verletzen und habe den Spagat zwischen meinen beiden Leben irgendwann nicht mehr geschafft, sodass ich die Hände, die mir helfen wollten, wieder in geregelte Bahnen zu finden, immer und immer wieder wegschlug. Sie war hilflos und ratlos und konnte nur mitansehen, wenn sie mich überhaupt mal zu Gesicht bekam, wie ich immer kranker aussah. Endlich war ich bereit, sie wieder in mein Leben zu lassen. Ihre pure Anwesenheit gab mir Kraft. Das Gefühl von Sicherheit, Geborgenheit und Liebe kehrte wieder ein.

Etwa vier Wochen später saß ich an der Theke einer Bar und blätterte nachdenklich in einem „Saar Scene“ – Heftchen. Darin findet man regionale Ereignisse, Partys, Events, Berichte und: Jobangebote. „Wir suchen DICH!“ stand da in bunten Buchstaben vor mir. Ergänzung: „Ausbildung zum/r Tanzlehrer/in – Jetzt bewerben“.


Als Frau zu groß? Nicht als Tanzlehrerin.

Völlig unvorbereitet tauchte ich zwei Tage später dort auf. Zwar mit der Überzeugung, mein Leben in den Griff zu bekommen, ansonsten aber mit den gleichen Selbstzweifeln wie zuvor. Pädagogisch wollte ich ja ohnehin immer arbeiten, Tanz fand ich irgendwie cool und ja – der Rest wird sich schon klären. So der Plan.

Tatsächlich bekam ich an diesem Tag die Möglichkeit, zum Probearbeiten wiederzukommen. Ich durchlief alle Kurse, vom Kindertanzen über Hip Hop, Videoclip-Dancing, bis hin zu Zumba und Paartanz und ich war überall eine Katastrophe.
Zumindest war das mein Empfinden. Mit 1,80 m durch eine Choreographie oder auch in der Haltung als Tanzpaar so viel Raum einzunehmen, war für mich völlig unbekanntes Terrain, auf dem ich mich zunächst nicht besonders wohl fühlte. Andererseits machten es ja auch irgendwie alle, womit es auffälliger gewesen wäre, nicht zu hüpfen, wenn alle hüpften.

 

Mein neues Leben als Tanzlehrerin

Ich konnte die Ausbildung drei Jahre später abschließen und war ab dann eine ausgebildete, selbstbewusste, beliebte Tanzlehrerin. Die Menschen schätzten mich wert, sie betonten, wie unglaublich positiv meine Ausstrahlung doch wirke und wie schön ich doch sei… Wie konnte das alles passieren?

Ich würde heute behaupten, dass ich ohne diese Ausbildung niemals in drei Jahren zu dem Menschen geworden wäre, der ich mich heute traue, zu sein. Durch speziell diese Ausbildung war ich gezwungen, meinen Körper richtig zu nutzen: Mich groß zu machen, Raum einzunehmen, meine Beine zu strecken, die Schultern zurückzunehmen, den Kopf aufrecht zu halten, zu lächeln, große Schritte zu setzen, die Balance zu halten, die absolute Kontrolle über meine Bewegungen zu erlangen und das alles immer. Nicht mal kurz, zum Ausgleich, zur Work-Life-Balance – nein. Immer.
Weiterhin natürlich der Kundenkontakt: Von der Akquise, wie Flyer-Aktionen oder Animationen, über den täglichen Smalltalk in der Tanzschule. Bis hin zum Unterrichten an sich: Lautes, deutliches Sprechen im „Command-Mode“, darauf zu vertrauen, dass man mir zuhört, mich jeder sieht, jeder meinen Körper sieht und diesen dann auch noch in Bewegung. Was früher die pure Panik ausgelöst hätte, war nun mein Alltag.

Aber noch mal zu der Frage: Wie konnte es in dieser Zeit so weit kommen? Die Erklärung ist ebenso wichtig, wie simpel, denn:

Was du siehst, das denkst du.

Was du denkst, strahlst du aus.

Was du ausstrahlst, das ziehst du an.


Solange ich von mir selbst so negativ dachte, transportierte ich diese Botschaft auch nach außen und bekam entsprechend genau das zurück. Auch in der dunkelsten Zeit meines Lebens traf genau das zu. Und genau das gleiche Phänomen ereignete sich, als ich begann, zu tanzen.
Zusätzlich sendet jede Bewegung Signale an dein Gehirn, die eine Emotion auslösen. Möchtest du dich also mies fühlen, musst du dich auch entsprechend halten, möchtest du positiv von dir denken, richte dich auf. Körpersprache allein bewirkt schon viel, aber das Tanzen ist das mit Abstand effektivste, allumfassendste Instrument, wenn du dich weiterentwickeln möchtest – denn DU bist die Basis, von der alles ausgeht.

Hast du auch eine Story, die es wert ist erzählt zu werden? Hast du etwas richtig tolles erlebt, das ausserhalb deiner Komfortzone lag und das nicht 0815 Status Quo ist? Willst du damit mal so richtig auf den Tisch klopfen und zeigen, was fuer eine Powerfrau du bist?

Oder aber du hast eine schwere Zeit durchlebt, hast alles überstanden und stehst jetzt mit erhobenem Kopf da. Willst du anderen Frauen zeigen, dass alles möglich ist, egal wie ausweglos eine Situation erscheinen mag?

So oder so: Wir glauben: Jeder Frau hat eine Story. Lass uns deine hören.

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