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Intuitive Zerstörung als Weg ins Glück

Intuitive Zerstörung als Weg ins Glück

Victoria Louca
Intuitive Zerstörung als Weg ins Glück - The Bold Woman Stories

„Das ist jetzt aber ziemlich bescheuert!“

Danach: Stille. Ich schaue in der Umkleide der BMW Betriebskita in die Augen einer ehemaligen Kollegin. Die Sonne strahlt durch die Fenster und erhellt den Raum. Meine Haare sind aufgrund der Chemotherapie noch raspelkurz. Ich wiege 10 kg weniger als normal und das Brustgewebe beider Brüste wurde entfernt. Die letzte Zeit war die schwerste und gleichzeitig die erkenntnisreichste meines Lebens. Nach 8 Monaten Brustkrebs-Therapie, untergebracht inmitten des Alltags mit zwei kleinen Kindern, habe ich mich endlich wirklich für mein Leben entschieden.

Doch sie meint es ernst. Ohne auch nur einen Funken über die Umstände zu kennen, sagt die Ex-Kollegin, meine Entscheidung, den Job bei BMW gekündigt zu haben, sei bescheuert. Sie ist nicht die Einzige mit dieser Meinung. Doch sie ist eine der wenigen, die sich traut, es offen auszusprechen. Immerhin. 

Ich antworte ihr nicht. Denn es gibt nichts zu sagen. Meine Entscheidung, diesen Bilderbuch-Job mit der extrem guten Bezahlung, der Kita für meine Kids und der Aussicht auf eine Führungsposition zu kündigen, ist felsenfest. Zum wiederholten Male zerstöre ich in meinem Leben etwas, was nach Außen so toll erscheint, dass andere mich dafür beneiden. 

Das ist meine Essenz: Ich lasse sehr gut funktionierende, vielleicht sogar bewundernswerte Umstände radikal hinter mir, wenn meine innere Stimme mich dazu auffordert. Nie weiß ich in diesen Situationen, was mich erwartet, nie, was danach kommt. Es gibt keinen Plan B. Und auch wenn meinem Verstand der Arsch auf Grundeis geht, weiß ich: Ich kann dieser Stimme in mir bedingungslos vertrauen. 

Inzwischen weiß ich viel über meine Intuition. Sie ist nicht nur der Kern meines Lebens, sondern auch mein Beruf. Radikal seelengeführt in den Vollkontakt mit dem Leben – das verkörpere ich und deswegen kommen Menschen zu mir. 

All dieses Bewusstsein habe ich erst nach der Krebserkrankung und Kündigung aufgebaut. Doch auch ohne dieses Wissen bin ich immer wieder dieser leisen Stimme gefolgt und nicht meinem lauteren Verstand. Denn ich lebe radikal seelengeführt. Ich bin es und ich war es schon immer. Spontane Richtungswechsel, krasse Entscheidungen für das Unbekannte. Immer wieder das, was gut läuft, zerstören – mit dem Funken Gewissheit, dass es noch lebendiger, noch geiler geht. 

 

Die freiwillige Zerstörung eines perfekten Berufsstarts

Bereits mit 19 hatte ich etwas, was allgemein als Volltreffer für den Berufsstart galt. Nach etlichen Auswahlrunden hatte ich mit einem 1er-Abi ein duales BWL-Studium bei Mars begonnen. Ich fand mich wieder in einem amerikanischen Konzern mit flachen Hierarchien. Alle duzten sich, es fanden gleich mega tolle Teamevents für uns Studierende statt und überall im Büro standen kostenlos Mars, Snickers, Twix und Co. herum. Ein Himmel. Außerdem wurde ich für dieses Studium auch echt gut bezahlt und es war garantiert, dass ich anschließend einen festen Job bei Mars bekommen würde. Was wollte ich also mehr?

Meine Eltern unterstützten mich voll: 2 Studienorte verlangten 2 Wohnungen, die eingerichtet wurden, und ein Auto, mit dem ich pendeln konnte. Sie taten alles in ihrer Macht Stehende, um mir diese Chance zu ermöglichen.

Doch dann kam dieser eine Tag. Ich saß im Auto und fuhr fürs Wochenende zu meinen Eltern. Einige Monate waren vergangen in meinem „perfekten“ Berufsstart. Und dann war da plötzlich, aus dem Nichts, diese Stimme in mir.

Sie war ruhig und ganz klar: „Ich fahre da nicht mehr hin.“ Dann Stille. Und als ob diese Stimme sichergehen wollte, dass ich es auch wirklich höre, noch einmal: „Ich fahre da nicht mehr hin.“ Ich spürte, diese Entscheidung war getroffen. In dieser Sekunde. Ich wusste nicht, warum und auch nicht, was danach kommen würde. Ich hatte keinen blassen Schimmer. Ich wusste nur, dass ich das gleich meinen Eltern sagen müsste, ohne ihnen eine logische Erklärung liefern zu können. 

Wenn ich heute an diese 19-jährige Victoria zurückdenke, überkommt mich unglaublicher Stolz. Denn mit meinem heutigen Wissen über Intuition, Unterbewusstsein und Verstand solche Entscheidungen für das absolut Unbekannte zu treffen, ist schon mega mutig. Doch diese junge Frau hatte dieses Wissen nicht. Ich hatte gelernt, dass wichtige Entscheidungen gut durchdacht und mit logischen Argumenten belegt werden müssen. Aber in diesem Moment, ohne jegliche logische Begründung liefern zu können und mit der Angst, von meinen Eltern mit Ablehnung oder Unverständnis konfrontiert zu werden, war ich mutig und bin über mich hinausgewachsen – für mich und meine Lebendigkeit. Und ich bin tatsächlich nie wieder zu Mars gefahren. 

Und wie immer hat das Leben diese Entscheidung voll unterstützt. Ich musste meine Studiumsvergütung nicht zurückzahlen, obwohl das vertraglich so festgelegt war. Die Wohnung konnte sofort weiter vermietet werden und ich fand ein Praktikum, um in der Zeit bis zum nächsten Semesterstart herauszufinden, was ich denn nun wirklich wollte. Zum Wintersemester begann mein Studium, welches ich 6 Jahre später als Diplom-Wirtschafts-Ingenieurin für Maschinenbau abschloss, um dann bei BMW einzusteigen.


Die wichtigste Entscheidung meines Lebens

Was letztendlich zu der Kündigung bei BMW geführt hat, war nicht die Krebserkrankung an sich. Es war ein Moment nach der Therapie, in dem ich durch den Wald lief. Heftig weinend. Kurz zuvor hatte ich die wichtigste Entscheidung meines Lebens getroffen: Nachdem ich im Zimmer der Reha-Klinik gesessen und realisiert hatte: „Wäre ich jetzt an diesem Krebs gestorben, hätte ich niemals richtig gelebt“, geriet mein Körper zunächst vollkommen in einen Ausnahmezustand. Zittern und Bewegungslosigkeit. Weinen und das Gefühl, nicht genug Luft zu bekommen. Schwitzen und Frieren gleichzeitig. Und dann, nach diesem minutenlangen Strudel: eine glasklare Entscheidung. Sie war einfach da. Es war die Entscheidung, nie wieder in meinem Leben die Angst wichtiger sein zu lassen als meine Träume. Denn ich hatte realisiert, dass ich bis zu diesem Zeitpunkt vor allem beruflich ein Leben gelebt hatte, was absolut nicht mir entsprach. Ich lebte ein Leben aus Angst vor Ablehnung und dem Versuch, gesellschaftliche Konventionen und Vorstellungen von Erfolg und Glück zu erfüllen.

Was mich dann einige Stunden später im sonnigen Sommerwald in der Nähe der Rehaklinik noch einmal richtig aus dem Gleichgewicht brachte, war die Erkenntnis, dass ich wirklich gar nicht wusste, was ich wollte. Was für ein Schock. Was waren denn die Träume, die ich nun wichtiger sein lassen wollte als die Angst? Was wollte ich für mein Leben? Was bereitete mir wahrhaftig Freude? Was wollte ich beruflich machen? Da lief ich mit 31 Jahren durch den Wald und wusste es einfach nicht. Ich wusste nur, dass ich nie wieder zu BMW zurückkehren würde. Kein Plan B. Keine Ahnung. Nur diese krasse Gewissheit, dass es so nicht weitergeht. 

Was will ich erLEBEN? Was will ich wirklich?

Nachdem sich der Schock über die fehlenden Antworten in Ruhe gewandelt hatte, wusste ich, dass meine wichtigste Aufgabe war, mich nun mit diesen Fragen zu beschäftigen. Ich wollte herausfinden, was ich wirklich will. Die Fragen nach dem LEBEN und erLEBEN haben mein Leben seitdem nicht mehr verlassen. Es ist nicht so, dass ich einmal eine Antwort gefunden habe und dann ist das Ding erledigt. Nope. Diese Fragen und ihre Antworten sind der Leitfaden meines Lebens. Immer und immer wieder. Immer und immer tiefer.

Ich will voll LEBEN. Ich will das Leben in seiner Tiefe und Magie erfahren. Ich will eintauchen in das Netz, mit dem alles, was ist, verbunden ist. Und was das in jedem Augenblick bedeutet, wandelt sich stetig. Das ist mein Forschungsgebiet. Für mich und die Menschen, die ich begleiten darf. Die Liebe zum Leben praktisch erfahrbar machen. Das ist, was ich mir für alle Menschen wünsche. 


Und immer wieder der Sprung ins Unbekannte

Und auch jetzt, in meiner Selbstständigkeit als spiritueller Business-Coach, führt die Ausrichtung auf den Vollkontakt immer wieder zu Entscheidungen, die mich das, was gut läuft, zerstören lassen. Einfach so. Weil meine Seele genau das will. Ich stelle mich zur Verfügung. 

Es gab einen Punkt Anfang des Jahres 2022, da war mein Business schon recht erfolgreich. Ich hatte wundervolle Kundinnen, sowohl in meinen Gruppenprogrammen als auch im 1:1. Das, was sie in meinen Räumen erlebten, war lebensverändernd. Ich hatte gerade einen Online-Kongress organisiert, bei dem rund 2000 Frauen teilgenommen hatten, und ich badete in dem wundervollen Feedback. Der perfekte Zeitpunkt, um ein neues großes Gruppenprogramm auf den Weg zu bringen. Doch nichts kam. Keine Idee. Kein Impuls. 

Stattdessen lag ich eines Nachts auf dem Sofa, scrollte durch die sozialen Medien und plötzlich kam von irgendwoher dieser Impuls: Ich muss nichts. Gar nichts. Das klingt für dich als Leser*in vielleicht erstmal gar nicht so spektakulär, sorgte bei mir jedoch für einen nächtlichen Heulkrampf. Mit einem Mal wurde mir klar, wie viel „müssen“ ich mir in den letzten Jahren auferlegt hatte. Wie viele spirituelle Dogmen ich einfach übernommen hatte:
Ich muss täglich meditieren.
Ich muss alles bis zu Ende durchfühlen.
Ich muss Glaubenssätze auflösen.
Ich muss manifestieren. 

Und so weiter.
Dieses ganze Konstrukt brach in diesem Moment im schwachen Licht meiner Wohnzimmerlampe auf meinem Sofa zusammen. 

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Wenn ich gar nichts muss, wer bin ich dann? Was bedeutet das für meine Arbeit, die bisher genau auf diesen spirituellen Methoden und Tools aufgebaut war? Würde ich weiterhin so geile Ergebnisse mit meinen Kund*innen erreichen können? So viele Fragen, die in meinem Kopf auftauchten. Sie kamen und verschwanden ziemlich schnell in der Frequenz von „Ich bin vollkommen.“

 

Vollkommener Frieden mit mir. Endlich.

Ich kann nicht anders, als es als Erlösung zu beschreiben. Auf einer nie dagewesenen Ebene hatte ich Gewissheit darüber, dass ich vollkommen bin – egal, was ich tue oder nicht tue. Es gab nichts mehr wegzumachen, aufzulösen, hinzuzufügen. Was blieb, war Frieden. Einfach sein. Ich bin. 

Damit einher ging die Bereitschaft, mein Business, so wie es bisher war und mir viel Freude und Erfüllung gebracht hat, zu zerstören. Es ging nicht mehr so weiter. Ich konnte weder mich noch meine Kund*innen in diesem spirituellen Hamsterrad weiterlaufen lassen. Dieses Kapitel war beendet. Auch, wenn es gut funktioniert hat und ich genau damit erfolgreich war. 

Ich wusste nichts mehr. Mein Verstand kam bei den neuen Erkenntnissen einfach nicht mit. Die einzige Gewissheit bestand in dem Nicht-mehr-Müssen und der Vollkommenheit. Wie daraus ein Coaching entstehen sollte, wusste ich nicht. Doch meine Seelenführung war so klar, dass ich mir gewiss war: Hier geht es weiter. Seit diesem Moment gehe ich ohne Tools, Rituale, Methoden und sonstige spirituelle Konzepte voran. Was mich führt, ist allein mein Bewusstsein. 

Hatte ich eine Garantie, dass das funktioniert? Nein. Doch es stand außer Frage, diesen Weg zu gehen. Und was dann passierte, war wirklich unglaublich. Denn all die Tools und Methoden geben unserem Verstand Halt, weil die Ergebnisse eines Coachings oder Prozesses dadurch kontrollierbar und auch vorhersehbar sind. Fällt das weg, ist die Herausforderung, mit dieser Unsicherheit und Unkontrollierbarkeit weiterzugehen, statt sich davon stoppen zu lassen. Und das Geschenk sind Ergebnisse jenseits des Verstandes. Umfassender, kreativer und schneller.

So begann ich neue Gruppenprogramme auf Basis des reinen Bewusstseins. Und mein Business ging durch die Decke. Sowohl mit den Ergebnissen meiner Kund*innen als auch wirtschaftlich für mich. Und das Wichtigste: In mir war tiefe Zufriedenheit, die Zweifel waren weg und eine neue Art von Entspanntheit und Lust zogen in meine Arbeit ein. 

Und alles, weil ich meiner inneren Stimme radikal folge. Ich weiß ehrlich gesagt nicht genau, woher dieses immense Vertrauen in das Leben kommt, was notwendig ist, um immer vollkommen ins Unbekannte zu springen. Doch vielleicht ist auch das nicht wichtig. Es geht nicht darum, es mit dem Kopf zu verstehen. Es geht allein um diese kleinen und großen Momente, in denen meine Intuition so klar ist, dass ich ihr folgen muss. Diese Momente des Mutes. Es gibt keine andere Wahl. Denn ich weiß, diese Stimme kennt den Weg ins Leben. Leben so, wie es gemeint ist. Voller Abenteuer, Liebe, Frieden und Erfüllung. 

Diese Forschungsreise geht für mich nie zu Ende. Sie hat kein Ziel, außer jeden Moment so tief wie nur möglich zu erfahren. Mit allem, was gerade da ist. Mit den geilen Sachen und mit denen, die im ersten Moment aussehen wie ein Lebenskackhaufen. Alles darf sein. Nichts muss. Denn wir alle sind ein f*** Wunder und wir haben es verdient, ein Leben zu leben, das uns bis in die letzte Zelle mit Glück erfüllt. 

Das ist es. Das ist alles.

Leipzig, 31.10.2022

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