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Vom Mobbing-Opfer zur MUT-Macherin und WUT-Macherin

Vom Mobbing-Opfer zur MUT-Macherin und WUT-Macherin

Anita Raidl
Wut - The Bold Woman.jpg

Ein schicksalhaftes Treffen in meiner Jugend änderte mein Leben von Grund auf.
Wir schreiben das Jahr 1994, ich war 10 Jahre alt und ich gehe in ein Privatgymnasium in einer sehr guten Wiener Gegend. Alles scheint wunderbar, doch hinter den Schulmauern spielten sich böse Szenen ab. Vier Jahre lang war ich dort Opfer von Mobbing und Gewalt an der Schule. Täglich wurde ich gehänselt, belächelt, bespuckt und beschimpft. Hausaufgaben wurden zerrissen, damit ich Ärger bekomme oder meine Kleidung mit altem Tafelputzwasser beschmutzt. Der Grund dafür lag wahrscheinlich daran, dass meine Eltern nicht so vermögend waren und ich weder Markenkleidung trug, noch teure Skiurlaube oder andere materiellen Dinge vorweisen konnte.

Und jeden einzelnen Tag wurde mir gesagt, dass ich nichts Wert wäre und niemand jemals Interesse an mir haben würde. Dies habe ich dann in Form von starkem Nägelbeissen bis zum Nagelbett versucht zu kompensieren. Und meine Eltern? Konnten damals absolut nichts damit anfangen. Jegliche Hilfeschreie meinerseits wurden ignoriert. Mobbing und dessen tiefe Verletzungen waren damals noch nicht so im Fokus. Es wurde nicht besonders viel Wert auf die Klärung und Auflösung gelegt und eher unter dem Deckmantel der Verschwiegenheit und Ignoranz weitergemacht. Heutzutage gibt es hier viel mehr Aufklärungsarbeit, wobei mit Cybermobbing eine neue Dimension dazu gekommen ist.

Doch dann kam ein schicksalhafter Tag. Ich lernte einen Jungen kennen, weit weg von meinem damaligen Umfeld und er war sehr nett zu mir und ich erkannte plötzlich, dass es da draußen auch Jungs und Mädchen gibt, die höflich und nett zu mir waren. Nach diesem Wochenende beschlossen meine Eltern und ich, dass ich die Schule in der 9. Klasse wechseln werde und ein neues Leben begann.

Ein neues Ziel vor Augen veränderte mein Verhalten und so konnte ich aus der Opferrolle aussteigen

Ich ließ mich die letzten Wochen in der Schule nicht mehr hänseln oder ärgern und zeigte Stärke und Rückgrat, denn ich wusste, ich komm bald hier raus und da draußen wartet eine schöne Welt auf mich. Ich nutzte meine WUT auf diese Ungerechtigkeiten und stieg aus der Opferrolle aus.
In der neuen Schule wurde ich in kürzester Zeit Klassensprecherin und Schulsprecherin und konnte vielen Mitschülern dadurch bei Problemen helfen. Diese positive Erfahrung brachten mich dazu, nach der Schule die Ausbildung zum Kinder- und Jugendcoach zu machen. Bis heute helfe ich Schulklassen und Jugendlichen, sowie deren Eltern und Lehrer bei diesem Thema.

Doch natürlich war der Weg nicht nur steil nach oben. Denn vier Jahre Schikane kann man nicht in wenigen Wochen vergessen. Diese Narben sitzen tief. Und deshalb will ich dir noch von einem Schlüsselerlebnis erzählen, bei dem ich meine wahre Kraft spürte und seitdem ich nicht mehr das ruhige, angepasste Mädchen bin.

Wärst du aufgestanden?

Ich habe vor ca. 15 Jahren die Ausbildung zur Zivilcouragetrainerin gemacht. Und so saß ich eines Tages mit 25 anderen jungen Leuten in einem Seminarraum in Wien und gleich zu Beginn bekamen wir eine Aufgabe. Wir erhielten kleine Zettel zum Thema Todesstrafe. Entweder „pro“ oder „contra“. Egal wie wir persönlich zu diesem Thema standen, mussten wir uns einer Diskussion stellen und jeweils diese Meinung vertreten, die da auf dem Zettel stand. Nach einer 5-minütigen Bedenkzeit wurde eine Dame nach vorne geholt. Die Kursleiterin begann mit ihr eine Debatte zum Thema.

Die Kursteilnehmer hatte CONTRA auf ihrem Zettel stehen und versuchte diese Position zu vertreten, doch die Kursleiterin wurde immer direkter und attackierte die arme Dame ständig. Sie fragte, ob sie denn auch gegen die Todesstrafe sei, wenn ihr oder jemandem aus ihrer Familie ein Gewaltverbrechen zugestoßen wäre oder ob sie denn auch dagegen sei, wenn Kindern etwas angetan worden wäre etc. Umso stärker vorne die Stimmung kochte, umso unwohler fühlte ich mich als Zuschauerin. Mein Unbehagen stieg im Sekundentakt und mir wurde richtig schlecht. Mir wurde kalt und warm gleichzeitig, Gänsehaut war zu spüren und irgendwann war es mir zu viel und ich stand auf und rief STOP!!! Ich sagte:„Ich möchte mir diese Szene nicht länger ansehen, denn ich bin hier, um etwas zum Thema Zivilcourage zu lernen und nicht über die Todesstrafe zu diskutieren.“

Die Kursleitung sah auf die Uhr und sprach: „7:22 – Gratulation! – Vielen Dank für ihre Zivilcourage”. Es durchfuhr alle im Raum wie ein Blitz – dies war also ein Test und bis auf mich waren alle durchgefallen. Sie hätten weiter zugesehen und wären nicht eingeschritten.

Ich trete ab jetzt für meine Werte und Grenzen ein

Wärst du aufgestanden? Und ich kann euch sagen, dass dies als ehemaliges Mobbing-Opfer nicht einfach für mich war, denn jahrelang hat niemand die Stimme für mich erhoben und STOP gerufen, wenn ich es gebraucht hätte. Und von da an war es für mich ganz klar. Ich stehe für mich und meine Werte ein sowie für Schwächere, die diesen Mut nicht haben, sobald diese verletzt werden, werde ich den Mund aufmachen.

Wie oft stehst du im Alltag für deine Werte und Grenzen auf?

Wie oft erhebst du deine Stimme, wenn Ungerechtigkeit passiert?

Weißt du, mit welchem Gefühl Eltern bei ihren Kindern am wenigsten umgehen können?

Es ist nicht Trauer oder Schmerz….es ist die WUT.

So oft habe ich verzweifelte Eltern im Gespräch, die mit der Wut ihrer Kinder und vor allem ihrer eigenen Wut nicht klarkommen. Denn die Gesellschaft möchte lieber angepasste und ruhige Menschen. Aber sehen wir uns doch ein paar Beispiele in der Geschichte an und schauen wir, ob wir einen gemeinsamen Nenner finden können:

Annie Londonderry 

Vor 124 Jahren steigt Annie Londonderry in Boston auf den Sattel: Als erste Frau der Welt will sie mit dem Fahrrad den Globus umrunden. “Ich wollte mein Leben nicht immer zu Hause sitzen, jedes Jahr wieder ein Baby in meinem Schoß.”, erzählt sie später in Interviews.

Annie Kopchovsky (ihr echter Name) will unabhängig sein, frei sein, berühmt sein! Da hört sie von der Wette zweier Geschäftsmänner: 10.000 Dollar darauf, dass eine Frau es niemals schafft, mit dem Fahrrad um die Welt zu fahren! Diese Summe entspricht heutzutage fast einer Viertelmillion Euro.

Und sie hat es geschafft !

Aung San Suu Kyi

Im Kampf für den Frieden in ihrem Heimatland Birma nahm Aung San Suu Kyi 15 Jahre Hausarrest in Kauf. In Birma herrscht eine Militärdiktatur. Das heißt, dass das Militär alle Macht hat und über die Bürger bestimmt. Aung San Suu Kyi kämpfte dafür, dass Demokratie in ihrem Land einzieht. Sie wollte also, dass die Bürger selbst bestimmen, wer an die Macht kommt. Am 26. August 1988 hielt Aung San Suu Kyi dazu ihre erste politische Rede vor mehreren Tausend Zuhörern. Die Militärs (die Regierung) reagierten darauf mit Gewalt und stellten Aung San Suu Kyi unter Hausarrest. Sie sei ihrer Meinung nach eine Gefahr für die Sicherheit des Staates. 15 Jahre hielt dieser Zustand an: Aung San Suu Kyi durfte weder die Stadt verlassen, noch ihren Ehemann sehen. Einige Male musste sie wegen angeblicher Missachtung der Strafe auch ins Gefängnis.

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Ich könnte hier noch unzählige Beispiele wie Greta Thunberg, Edward Snowden oder Malala Yousafzai aufzählen. Sie alle wollten den Status Quo nicht akzeptieren und haben alle Schwierigkeiten in Kauf genommen, diesen zu ändern. Sie alle haben diese Ungerechtigkeiten in Tatendrang umgewandelt und sind damit Weltverbesserer und Weltveränderer.

Also lasst uns mutig sein und endlich lernen, aufzustehen, wenn dies von Nöten ist!

Früher wurde ich von anderen gemobbt, heute mache ich anderen als Keynote-Speakerin Mut und zeige ihnen, wie sie die Kraft ihrer Gefühle für sich nutzen können.

Hast du auch eine Story, die es wert ist erzählt zu werden? 

Hast du etwas richtig tolles erlebt, etwas, was außerhalb deiner Komfortzone lag und das nicht 0815 Status Quo war? Willst du damit mal so richtig auf den Tisch hauen und allen Menschen zeigen, was für eine Powerfrau in dir steckt?

Und vor allem andere Frauen damit inspirieren?

Oder aber du hast eine schwere Zeit durchlebt, hast alles überstanden und stehst jetzt mit erhobenem Kopf da. Willst du anderen Frauen zeigen, dass alles möglich ist, egal wie ausweglos eine Situation erscheinen mag?

Wir glauben: 

Every Woman has a Story. 

Lass uns deine hören:

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