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Burnout für High Performer und fortgeschrittene Gefühlsverweigerer

Burnout für High Performer und fortgeschrittene Gefühlsverweigerer

Kathrin Krügel
burnout-The-Bold-Woman

Burnout für High Performer und fortgeschrittene Gefühlsverweigerer

oder How not to do a Burnout

 

Ich weiß noch ganz genau, wie ich vor einigen Jahren gemeinsam mit meinen Bereichsleiter-Kollegen im jährlichen Manager Meeting über Personalengpässe sowie die Entwicklungs- und Förderpotentiale unserer Mitarbeiter sprach. Es war eine lockere Atmosphäre und ein älterer Kollege erzählte etwas genervt, dass eine seiner eh schon schwächeren Mitarbeiterinnen jetzt auch noch einen Burnout hätte und er Ersatz für sie finden müsse. Denn -“jetzt ganz unter uns”- fuhr er fort:  “Wer einmal einen Burnout hatte, würde offen gesagt nie wieder „ganz normal“ werden. Alle waren sich einig: Die Mitarbeiterin könnten wir nicht nur kurz-, sondern auch langfristig komplett abschreiben. Insofern bräuchten wir schon wieder einen nervigen Stellenausschreibungsprozess, hätten die finanzielle Doppelbelastung zu tragen und voraussichtlich auch noch Ärger mit der zukünftigen Frage, wie wir die Kollegin nach ihrer Rückkehr aus dem Krankenstand „unauffällig parken“ – sprich mit weniger anspruchsvollen Aufgaben bei natürlich vollem Gehalt weiterbeschäftigen könnten.”

Denn uns allen war klar: Arbeitsrechtlich würden wir eine Kündigung niemals durchbekommen. Andererseits wollte und konnte es sich bei unserer eh schon knappen Personaldecke niemand von uns leisten, eine wertvolle Planstelle mit einem „Underperformer“ im Team zu besetzen. Der Workload, Überstunden und Krankenstandszahlen waren eh schon immens hoch und jeder wollte seinen Bereich und seine Mitarbeiter schützen. Ein echtes Dilemma. 

 

Oh shit

Mir wurde in dieser Situation heiß und kalt. Denn was meine Kollegen nicht wussten und auch nicht wissen durften: ich selbst hatte knapp ein Jahr zuvor einen Burnout gehabt und versuchte seitdem, mir selbst und allen anderen im Büro vorzumachen, dass ich wieder gesund, ganz die Alte und voll leistungsfähig sei. 

Im Spätsommer des Vorjahres war ich mit dem Krankenwagen aus der Kantine abgeholt worden, weil mir plötzlich schwindelig geworden war und ich am ganzen Körper zitterte. Meine Ohren surrten, mein Blick wurde schwarz und ich habe nur halb mitbekommen, wie meine Kollegen den Tisch weggeschoben und mich auf den Boden gelegt haben. Das hatte ich bis dato noch nie erlebt. Klar: Magendruck, Rückenschmerzen und Kopfschmerzen waren schon seit Jahren meine ständigen Begleiter und ich hatte immer Schmerztabletten in der Handtasche und Magentropfen neben dem Bett. Aber das hier? 

Mit einem abhängig machenden Angstlöser, hat mich das Krankenhaus abends nach Hause geschickt. Mit meinem Mann und meine Eltern saßen wir dann völlig erschrocken zusammen und haben überlegt, was zu tun sei. Urlaub nehmen? Job wechseln? Arbeitszeit reduzieren? Wir alle waren mit der Situation total überfordert. Mir war allerdings klar: An Urlaub oder Kündigung oder was auch immer war gar nicht zu denken. Bei mir ging gerade gar nichts mehr. Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes „ GAR NICHTS“. Ich konnte kaum stehen, ohne zu schwanken und zu zittern und Panik zu bekommen. 

In den darauffolgenden Monaten hat mein Körper einfach auf alles mit Angst und Panik reagiert, ich war ständig total verkrampft und zittrig, hatte nächtliche Schweißausbrüche, geweitete Pupillen und mir war permanent schlecht. Ich habe über 10 kg abgenommen und hätte wirklich alles dafür getan, dass diese Panik und der Schwindel endlich aufhören. 

Es folgten angstmachende Kernspinuntersuchungen und Besuche im Schwindelzentrum der Essener Unikliniken, beim Neurologen, Augenarzt, HNO, Hausarzt… 

Die Diagnose: chronische Depressionen, Tinnitus, phobischer Schwankschwindel und generalisierte Angststörung. Umgangssprachlich: Burnout. 

O shit. Das war viel! In meiner Arroganz hatte ich bis dato eigentlich eher verharmlosende Witze über Burnout gemacht und mir nicht vorstellen können, wie ernst das Thema tatsächlich ist. Dass ich jetzt zB Antidepressiva nehmen musste, war sicherlich nicht mein Plan gewesen.

Mit meiner super netten Psychotherapeutin, bei der ich war – ja, zugegeben, ich spürte schon etwas länger, dass etwas nicht stimmte- haben wir dann entschieden, dass ich erstmal „aus dem Verkehr gezogen werde“. Meine fantastische Hausärztin hat mir geholfen, mich mit einer „unauffälligen Diagnose“ länger krank zu schreiben und schnell für mich einen Platz in einer psychiatrischen Klinik zu finden. Im Büro hat das niemand weiter hinterfragt. Persönliches war da eh kaum Thema. Und mein ganzes privates Umfeld war -glaube ich- , erleichtert, dass ich jetzt in guten Händen war und alles wieder gut werden würde. 

Nur ich empfand das leider überhaupt nicht so. Ich kam mit dem Aufenthalt in einer „Klapse“ absolut nicht klar. Ich hatte mir so viel auf meinen Intellekt und meine schnelle Auffassungsgabe eingebildet. Ich war stolz, als High Potential in Potentialträgerprogrammen gewesen zu sein und habe – wenn ich ganz ehrlich bin- arrogant auf andere herabgeschaut, die langsamer dachten oder weniger belastbar waren als ich. Mein Job war meine Existenz. Und jetzt war mein ganzes Gehirn wie Brei. Mein Denken dauerte Ewigkeiten und ich habe mitten im Denken vergessen, was ich eigentlich denken wollte. Ein schreckliches Gefühl, zu spüren, dass Verknüpfungen im Gehirn kaputt gehen und nicht mehr funktionieren. Wie Alzheimer im Zeitraffer. Und niemand konnte mir sagen, ob ich wieder ganz normal werden würde. Konnte ich jemals wieder arbeiten? Eine zusätzliche Angst, die ebenfalls nicht gerade hilfreich war bei der Therapie meinen Panikattacken. 

Dazu kam noch eine andere Sorge: Würde meine Beziehung zu meinem Mann das aushalten? Ich erkannte mich ja selbst kaum noch. Ich war über Monate ein absolutes Wrack, weinte ständig und war total verzweifelt. Er war mein absoluter Anker und Strohhalm in dieser Zeit, der alles mitbekommen und mir unermüdlich zugehört hat, wenn ich wieder und wieder versuchte, die ganze Irrationalität meines eigenen Verhaltens zu verstehen. Ich selbst hasste mich und wäre am liebsten nur weg von mir und raus aus der ganzen Situation geflüchtet. Würde er das langfristig aushalten? Oder war das nur sein Anstand, mich in dieser Phase nicht alleine zu lassen, aber keine Liebe mehr?  

 

Meine Welt brach zusammen

Erst in der Rückschau ist mir heute bewusst, warum die Klinik für mich nicht funktioniert hat: Ich habe mich innerlich mit Händen und Füßen gewehrt, „abzurutschen“ – denn so habe ich das damals gesehen- und zu einem Gefühlsmenschen zu werden. Ich habe auch dort in der Klinik immer noch gekämpft, mich nicht fallen gelassen, sondern weiter versucht, die Fassade aufrecht zu halten und zu funktionieren. Ganze drei Mal bin ich in der Zeit, in der ich in der Klinik war, für eine Therapeutin statt für eine Patientin gehalten worden. Obwohl ich mich wie alle anderen Mitpatienten in den Gruppenraum gesetzt oder zu einer Therapiestunde gegangen bin. Einmal bin ich sogar von einer Therapeutin gefragt worden, ob ich eine unangekündigte Hospitantin wäre? – ??-  Klar, ich war die Einzige, die nicht im Jogginganzug, sondern geduscht und geschminkt in weißer Bluse und Straßenschuhen rumlief. Wie zittrig es innerlich in mir aussah, sah man mir von außen ja nicht an. 

Und nicht nur hier trafen zwei Extreme – mein Inneres und mein Äußeres- aufeinander. Auch mein damaliges Weltbild war damals extrem zweidimensional und schwarz-weiß: ich bewunderte Kopfmenschen und Leistung und verachtete Gefühlsmenschen und „Underperformer“. Letztere waren in meinem damaligen Weltbild schwächliche Looser in Walla-Walla-Kleidern mit Räucherstäbchen und Astro-Karten, die in ihrem Leben nichts auf die Kette kriegten. Ich wollte absolut nicht so sein! Ich war kein „Sensibelchen“, das jammert und dem alles immer gleich zu viel ist! Ich war tough, ich war stark, ich war schlau, ich war diszipliniert und ich wollte noch was erreichen. 

Und jetzt sollte ich in der Klinik über meine Bedürfnisse reden und meine Gefühle wahrnehmen? In mich hineinspüren? Achtsam mit mir umgehen? Alle redeten so schrecklich weichgespült, betroffen und fürsorglich mit mir. Ich fand das einfach nur furchtbar, wollte nicht so werden wie die Leute um mich herum und hab mich noch weiter völlig verkrampft. Mein persönlicher Tiefpunkt: meinen eigenen Namen tanzen müssen. Ich habe mich so geschämt! Und gedacht: wie tief kann ich eigentlich noch sinken? 

Irgendwie hatte ich gehofft, in der Klinik mehr Mitpatienten zu treffen, die so waren wie ich. Für die ihr Beruf auch ihr Leben war, die sich über Leistung definierten und keine Gefühle  thematisierten. Die auch einfach nur eine Lösung, und kein „Brainwashing mit Typveränderung“ wollten. Hier waren zwar auch Patienten mit Burnout – Lehrer, Polizisten, Selbständige…-, aber die kamen wir weniger leistungsorientiert und sehr “verweichlicht” vor. Anders als ich haben sie ihr aktuelle Schwäche und Verwundbarkeit sehr offen gezeigt, während mir das alles viel zu intim und total fremd vorkam und ich kaum, dass ich in der Klinik war, auch schon wieder raus wollte.

Für mich war der Klinikaufenthalt dort in einer Gruppe mit suizidgefährdeten Alkoholkranken, Drogenabhängigen und psychisch schwer gestörten Menschen ein öffentlicher Beweis meines Versagens, ein Stigma und ein weiterer Albtraum in einer Phase, in der ich eh schon die Kontrolle über mein Leben verloren hatte. Ich wollte einfach nur wieder gesund sein, arbeiten können und dass alles so war wie vorher. Ich wollte mein altes Leben zurück, auch wenn ich unglücklich gewesen war.  

Wenn heute jemand eine Geschäftsidee sucht, würde ich ihm raten, sich auf Burnouttherapie für Geschäftsleute und Manager zu spezialisieren. Der Wechsel von durchgetakteten Meetings und Haifischbecken in Unternehmen zu Stuhlkreis und Gefühlsthemen in psychiatrischen Kliniken ist einfach zu krass. Hier prallen zwei Welten aufeinander und ich jedenfalls hätte erstmal eine Brücke gebraucht zu diesem anderen Planeten mit seiner völlig anderen Sprache und Kultur, bevor ich die dort geltenden Wahrheiten akzeptieren und für mich positiv hätte umsetzen können. Und sehr hätte ich mir ähnliche Leidensgenossen gewünscht, mit denen ich mich auf Augenhöhe hätte austauschen können.

Nach sechs Wochen habe ich mich gegen den Rat meiner Ärzte selbst entlassen und mich wieder ins Büro gezwungen – um mir selbst zu beweisen, dass ich normal bin. Und weil ich nicht wahrhaben wollte, was da gerade mit mir passierte. 

Die Magentropfen wanderten zu den Schmerztabletten in die Handtasche. Beides brauchte ich jetzt noch öfter als zuvor. Zusätzlich ging ich nicht mehr ohne Angstlöser, einer Hyperventilationsmaske, Taschentücher und Schminke zum Kaschieren der ständig verweinten Augen aus dem Haus. 

Allerdings hatte ich zwei Probleme:

 

  1. Ich hatte ich eine Scheiß-Angst, dass die anderen im Büro etwas merkten. Oder noch schlimmer: dass ich es nicht hinkriegte, meine Kollegen recht hatten und ich nie wieder „normal“ werden würde. Denn „normal“ fühlte sich gar nichts an. Schließlich waren mein Alltag nach wie vor mit ständigen Schwindel- und Panikattacken gefüllt.
  2. Zudem hatte ich absolut keinen Plan, wie ich aus dem Alptraum wieder rauskam. Wie die letzten Jahre bewiesen hatten, war ich selbst ja offensichtlich nicht in der Lage, mir zu helfen. Und ein Klinikaufenthalt war doch eigentlich die „ultima ratio“ in solchen Fällen, oder?

 

Aber alle meine gelernten und bekannten Techniken haben nicht mehr funktioniert:

  • Versuchen Sie einmal, rational mit Ihrer Angst zu diskutieren und ihr zu erklären, dass sie völlig unnötig ist. Dass Sie den Warnschuss verstanden haben und jetzt weniger arbeiten werden. Versprochen!!!
  • Versuchen Sie, sich zusammenzureißen und Ihrem Körper mit eiserner Disziplin zu befehlen, wieder „normal“ zu funktionieren. Sich zu fokussieren und bitte aufzuhören, zu schwanken wie ein beklopptes Boot.
  • Oder versuchen Sie, Ihren Körper mit Belohnung, mit Urlaubstagen, Ausschlafen und Wellnessmassagen zu bestechen. 

Ich habe alles versucht. Nichts hat geholfen. Und ich war echt verzweifelt.

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Jetzt nochmal von Anfang – ich musste das verstehen

Ich verstand immer noch nicht, was eigentlich passiert war. Wie hatte ich so den Boden unter den Füßen verlieren können? Und warum gerade ich? Ich hatte doch so hart gekämpft und wahnsinnig viel gearbeitet. Das war so ungerecht! Mein Leben war eh schon unheimlich anstrengend. Während meine Geschwister scheinbar mühelos richtig steil Karriere machten und auch noch glücklich dabei zu sein schienen, musste ich für alles kämpfen. Bis man mir endlich meine erste Führungsposition zutraute, bis ich endlich eine Bereichsleiterposition bekam – ich musste immer beweisen, dass ich gut genug war. 

Ich habe Fortbildung um Fortbildung gemacht, habe mich als Rechtsanwältin in Steuern reingekniet und bin „by learning on the job“ in das kalte Wasser der  Wirtschaftsprüfung gesprungen. Dann kamen Controlling-Fortbildungen, SixSigma-Prozessoptimierung, Agiles Projektmanagement, IT…. Ich habe mich immer breiter aufgestellt und bin von Fachbereich zu Fachbereich gezogen, immer in der Hoffnung, dort endlich anzukommen. 

Aber mein berufliches Umfeld hat wie ein Hund meine inneren Selbstzweifel gewittert und gespürt, dass mein Selbstwert nicht stabil war. Dass ich nur vordergründig souverän und selbstbewusst auftrat, aber nicht wirklich die stabile und starke Persönlichkeit hatte, um mit noch größeren Herausforderungen und Konflikten umzugehen. Es war nie meine fachliche Kompetenz und auch nicht mein Auftreten, aber die fehlende innere Souveränität, die man mir angemerkt hat und mit der ich mir selbst auf dem Weg nach ganz oben im Weg stand. 

Heute ist mir klar, dass ich unerbittlich und kompromisslos auf einer Suche war, die sich gegen mich selbst richtete und die von Anfang an zum Scheitern verurteilt war. Ich wollte ein berufliches Zuhause finden, anerkannt werden und Aufgaben haben, die mir sinnvoll erschienen und die mir Spaß machen. Mit einem Umfeld, in dem ich mein Potential entfalten konnte und das mich unterstützte. Weniger Krieg und Wettbewerb und mehr gegenseitige Kooperation und Wohlwollen. Rational völlig nachvollziehbare Wünsche und in der Tat nicht unbedingt die Lebenswirklichkeit in meinem damaligen beruflichen Umfeld. Insofern war es einfach, erstmal den bösen Arbeitgeber als Schuldigen für meinen ganzen Stress und Frust verantwortlich zu machen. Und ich wünsche mir auch heute noch, dass Unternehmen aufmerksamer,  achtsamer und wertschätzender mit ihren Mitarbeitern umgehen. 

Aber im Laufe der Zeit merkte ich: das eigentliche Problem lag primär bei mir selbst. Mir war gar nicht aufgefallen, wie verhärtet und emotionslos ich geworden war. Meine Therapeutin musste mir erst den Spiegel vorhalten und mich fragen, warum ich eigentlich immer so super-kritisch und richtig gemein zu mir war? War ich das? Achtete ich mich selbst nicht? Warum sprach ich immer so abwertend von mir? Warum war ich mir selbst eigentlich nie gut genug? Und wieso trug ich in der Öffentlichkeit eine eiserne Maske der Professionalität, während ich zu Hause bei meinem Mann, wenn ich mich sicher fühlte, oft so traurig und total verletzlich und alles andere als selbstbewusst und arrogant war? 

Warum ich nicht viel früher etwas geändert habe statt zu warten, bis mir mein Körper „den Stecker zieht“, ist auch für mich aus heutiger Sicht schwer nachzuvollziehen. Ich hätte doch schon viel früher erkennen müssen, dass etwas nicht stimmt und hätte handeln müssen. Schließlich war ich schon unheimlich lange unglücklich. Aber ich dachte, das ist normal. Ich dachte, den meisten geht es auch so und es spricht nur keiner drüber. Das Leben ist nun mal kein Ponyhof und der Job kein Hobby. Ehrlicherweise war ich überzeugt, dass nur halbseidenen Ratgeberbücher völlig unrealistische Versprechungen von Zufriedenheit im Job propagierten. 

Von außen sah unser Leben zudem völlig normal und genau so aus, wie „es sein sollte“ und wie ich es ehrlicherweise auch haben wollte: Double income, no kids, Geld für Klamotten, Restaurantbesuche und Reisen – eine sehr sichere und bequeme Blase. Die dann leider geplatzt ist. 

 

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Die schonungslose Wahrheit: ich bin nicht so belastbar wie andere

Das alles wäre vielleicht noch nicht so fatal für mich gewesen. Aber ich hatte unbewusst einen Glaubenssatz verinnerlicht, der mir ganz losgelöst von meinem Umfeld verbot, ich selbst zu sein. Mein ganz eigener, unerbittlicher Motor, der mich immer weiter antrieb, über meine Grenzen zu gehen:

“Ich bin nicht ok so, wie ich bin. 

Ich bin schwächlicher als andere und muss über meine biologisch engen Grenzen gehen, um adäquate Leistung zu erbringe.

Erst diese Leistungen werden mich zu einem wertvollen, liebens- und lebenswerten Menschen machen.”

Mein „Problem“: Ich bin tatsächlich ein sehr sensibler und feinfühliger, „zarter“ bzw. “schwächlicher” Typ.  Schon rein äußerlich sehr blond, extrem blass und gerade als Kind immer viel zu dünn und ständig krank. In meiner Wahrnehmung war ich der anstrengende und ungeliebte, weil hässliche, weinerliche und körperlich schwächere Zwilling, während mein Zwillingsbruder ein kleiner gesunder Wonneproppen war. Ich glaube, damals habe ich unbewusst mitgenommen, dass ich so wie ich war, insbesondere so körperlich anfällig und emotional schwach wie ich war, nicht ok bin. Und es besser ist, zu lächeln und so zu tun, als wäre alles in Ordnung. Ich habe mir meinen „starken“, offenen und lebensfrohen Bruder und auch meine sehr intelligente, größere Schwester zum Leitbild genommen und versucht, mit Fleiß und Disziplin ein schönerer, liebenswerterer und stärkerer Mensch zu werden. Schwäche und Gefühle untersagte ich mir strengstens und beides wurde für mich immer mehr zum roten Tuch. 

Die Energie, die ich -gerade als sensibler Mensch-  all die Jahre dafür aufbringen musste, diese Maske aufrecht zu erhalten, war allerdings enorm und erschöpfte mich unheimlich. Schlussendlich war ich tatsächlich in diesem Teufelskreis von völliger Erschöpfung und mehr Druck und Anstrengung gefangen.  

 

Mein Weg: Der Zugang zu meinen Gefühlen

Bis ich das verstanden hatte, hat es lange gedauert. Denn nach der Klinik war ja noch nichts gelöst und ich musste meinen eigenen Weg finden, um aus dem Burnout rauszukommen. Und ich machte es dann so, wie ich es schon immer getan hatte: ich schaffte mir unheimlich viel Wissen an. Ich sprach wahnsinnig viel mit meiner Therapeutin und las alle Bücher, Zeitschriften und Artikel zu den Themen Burnout, Depression, Stress und das Zusammenspiel von Körper und Gefühlen. Je mehr ich las, umso mehr schwand meine Verachtung für Emotionen. Bis ich endlich hinschauen und mich nicht nur abstrakt, sondern auch ganz konkret für die Themen Gefühle und Bedürfnisse bei mir öffnen konnte. Ich begann, zu verstehen, warum es unheimlich wichtig ist, auf meine Gefühle und Bedürfnisse zu hören und dass mein Kopf nur dann gut arbeiten kann, wenn es auch meinem Herzen und meinem Körper gut geht. 

Mit diesem Wissen konnte ich dann mit kleinen Schritten anfangen. Mir Pausen erlauben, Atemübungen machen, meine Gefühle und Gedanken wahrnehmen und wohlwollender mit mir umgehen, meine Glaubenssätze identifizieren und alternative Überzeugungen entwickeln. Alles nichts wahnsinnig Neues. Aber ich musste erstmal verstehen und lernen, dass es sich dabei nicht um leere Kalendersprüche handelt, sondern dass diese Dinge ganz konkret für mich wichtig sind und tatsächlich auch funktionieren. 

Das ging nicht von heute auf morgen und auch nicht ohne Rückschritte. Nach dem Klinikaufenthalt habe ich in den folgenden zehn Jahren noch drei Karriereschritte gemacht und einen weiteren Klinikaufenthalt durchziehen müssen. Diesen zweiten Klinikaufenthalt habe ich nicht mehr ganz so schlimm empfunden wie den ersten und ich habe schon etwas offener über das Thema sprechen können. Aber es waren noch zwei weiteren Unternehmenswechsel und – endlich- der langersehnte Direktorentitel (das dortige Pendant zum CFO (Chief Financial Officer), denn C-Level-Titel gab es zu meinem Leidwesen in dem Unternehmen nicht) notwendig, bis ich endlich für mich entschieden habe: es reicht. Ich muss radikal etwas ändern und aus meinem aktuellen Beruf mit all seiner Sicherheit und seinen insbesondere finanziellen Annehmbarkeiten raus. 

Heute bin ich unheimlich dankbar, dass mich meine tolle Therapeutin und insbesondere mein wahnsinnig liebevoller, geduldiger, verständnisvoller und lustiger Mann in dieser echt tiefen und dunklen Phase meines Lebens nicht aufgegeben haben. Meine Beziehung zu meinem Mann hat nicht nur gehalten, sondern unser Zusammenhalt ist durch diese gemeinsame Erfahrung sogar noch weiter gewachsen. Ich bin so froh, dass ich ihn an meiner Seite habe. Was das angeht, bin ich ein echter Glückspilz!

 

Und die Moral von der Geschichte? 

Warum diese wissenschaftlich anerkannten Basics über den Zusammenhang von Körper, Gedanken und Gefühle einem nicht in der Schule beigebracht werden, ist mir aus heutiger Sicht völlig unbegreiflich. Mir – und vielleicht auch vielen anderen – hätte dieses Wissen womöglich sehr viel Kummer und Leid erspart. 

Warum dieses Wissen nicht stärker in Unternehmen genutzt wird, um ein Arbeitsumfeld für zufriedene und damit maximal leistungsfähige Mitarbeiter zu schaffen, ist mir ebenfalls unklar. Es ist doch eigentlich eine win:win Situation für beide Seiten, oder? Denn dass die Berücksichtigung von Gefühlen für den Menschen in seiner Leistungsfähigkeit und Zufriedenheit wichtig ist und demnach permanenter Stress und Druck kontraproduktiv sind, ist seit langem wissenschaftlich belegt. 

Ich habe mir vorgenommen, hier einen positiven Beitrag zu leisten und meine eigenen Erfahrungen und mein heutiges Wissen -möglichst präventiv- an Menschen und Unternehmen weiterzugeben. Ich will das Tabu Burnout brechen und aufklären, dass Menschen mit Burnout wieder „ganz normal“ und „leistungsfähig“ werden können. Mehr Menschen sollen wissen, dass es sich bei Burnout um eine Phase der Schwäche handelt, die viele im Leben vermutlich einmal – wenn auch in sehr unterschiedlicher Ausprägung- erleben. Diese Phasen gehören zum Leben dazu, passieren nicht nur „Schwächlingen“ und „Underperformern“ und man geht häufig gestärkt und mit deutlich mehr Weitsicht daraus hervor. 

So fühlt es sich jedenfalls für mich an. Heute gebe ich als Business Coach und Consultant genau dieses Wissen an Menschen und Unternehmen weiter. Und kann für mich aus ganzem Herzen sagen: ich bin wirklich glücklich und zufrieden. So richtig angekommen. Ein tolles Gefühl. 

Hast du auch eine Story, die es wert ist erzählt zu werden? Hast du etwas richtig tolles erlebt, das ausserhalb deiner Komfortzone lag und das nicht 0815 Status Quo ist? Willst du damit mal so richtig auf den Tisch klopfen und zeigen, was fuer eine Powerfrau du bist?

Oder aber du hast eine schwere Zeit durchlebt, hast alles überstanden und stehst jetzt mit erhobenem Kopf da. Willst du anderen Frauen zeigen, dass alles möglich ist, egal wie ausweglos eine Situation erscheinen mag?

So oder so: Wir glauben: Jeder Frau hat eine Story. Lass uns deine hören.

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