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Karrierekiller Kind? – Oder was Vereinbarkeit wirklich möglich macht.

Karrierekiller Kind? – Oder was Vereinbarkeit wirklich möglich macht.

Susanne Dr. Dietz
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Hätten Sie denn Lust, einen Vortrag zum Thema Karrierekiller Kind zu halten?“, wurde ich erst kürzlich gefragt.

Die Antwort war mir sofort klar. „Nein habe ich nicht.“  Warum auch? Dazu kann ich nichts sagen…

Mir fiel dann aber doch nicht wenig ein, als ich die Anfrage unter der Bedingung annahm, dass Fragezeichen aus meinem Kopf dem Vortragstitel hinzuzufügen: Karrierekiller Kind?

Ich bin in meiner beruflichen Laufbahn vielen Karrierekillern begegnet. Beispielsweise Chefs. Chefs, welche das Potenzial ihrer Mitarbeiter nicht erkennen und sie dementsprechend zu Berufsautomaten, Zeiterfassungs-Hexen oder Selbstprofilierungs-Affen machen. Oder aber Karrierekiller-Kollegen. Die Zeitgenossen, welche bewusst ihre „Wettbewerber“ boykottieren oder eben durch High Potentials ihren eigenen Müßiggang in Gefahr sehen. Oder aber, der Karrierekiller Faulheit…

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Karrierekiller Kind?

Ich könnte die Liste der Karrierekiller ewig so fortsetzen. Doch sind Kinder Karrierekiller?

Ein Kind hat meines Erachtens noch nie eine Karriere gekillt. Wie auch? Ein Kind hat weder die Mittel noch die (boshafte) Absicht, eine Karriere zu killen, geschweige denn überhaupt einen Begriff von Karriere.

Es sind vielmehr die neuen Umstände, die mit einem Kind geboren werden und auf die die wenigsten weder vorbereitet noch imstande sind, adäquat und flexibel damit umzugehen. Es geht hier mal wieder um eins: Vereinbarkeit.

Vereinbarkeit & Stellhebel

Wenn wir von Vereinbarkeit und deren Stellhebel sprechen, so gibt es da der Dinge drei.

Zu allererst, die institutionelle Ebene. Hierzu gehört die Politik, – die gerne den schwarzen Peter zugeschoben bekommt. Forderungen in diesem Kontext sind immer sehr laut: „Die Politik müsse doch endlich was für Eltern tun. Deutschland braucht mehr Betreuungsplätze. Mehr Krippen, mehr Kindergärten mit langen Öffnungszeiten, mehr Ganztagsschulen!“

Da stimme ich schon zu. Denn auch ich habe derzeit als berufstätige Mutter ein einjähriges Kind ohne Krippenplatz zu Hause. Doch andersherum gedacht: Welche Mutter und auch welcher Vater würde gerne ihre Kinder um 7 Uhr morgens vielleicht noch schlafend in eine Betreuungseinrichtung karren wollen und abends um 19 Uhr völlig übermüdet und vielleicht wieder schlafend abholen? Ich kenne da niemanden. Das heißt für mich, die Rechnung mit der ausreichenden Anzahl von (Vollzeit-)Betreuungsplätzen geht in Sachen Vereinbarkeit nicht auf und ist viel zu kurz gedacht. Aber wenn es die Politik nicht lösen kann, wer dann?

The (wo)man in the mirror

Natürlich: die persönliche, individuelle Dimension. Hochspannend, weil wir im Grunde alles darunter packen können. Wie alte Rollenbilder. Sie wurden uns allen in der Kindheit vorgelebt und gewinnen fatalerweise dann im Alltag durch die Macht des Unterbewusstseins die Oberhand unseres Seins und Tuns.

Oder aber das soziale Umfeld wie Freunde, die mit ihren modernen und vereinfachten (oft kinderlosen) Vorstellungen uns gut gemeinte Tipps geben „Nimm das Kind doch einfach mit ins Büro. Das hat bei Elfriede auch immer gut geklappt.“ Nur mit dem feinen Unterschied, dass Elfriede ein zufriedenes Faultier-Baby hatte, das sogar in Bars schlief und gerade deshalb in einer dunklen Ecke dieser Bar vergessen wurde.

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Ich hingegen hatte ein doch recht waches und lautes Energiebündel, dass nirgends so einfach schlief. Wobei wir schon bei einer Sache wären, die niemand beeinflussen kann: der Charakter des Babys. Das durfte ich als Dreifach-Mama teilweise schmerzhaft erfahren. Ich hatte ein entspanntes Baby, meine zweite Tochter. Ich konnte mit ihr Indoor-Spielplätze mit dem Lärmpegel eines Kampf-Jets-Flughafens besuchen oder sie zu Interviews in voll besetzte Hörsäle mitnehmen. Ihr war das egal, – sie schlummerte seelenruhig, egal, wann, egal wo. Und sobald sie wach war, lächelte sie besonnen die Menschen da draußen an und stahl deren Herzen.

Ich hatte aber auch noch zwei andere Babys. Zwei Babys, die so reizempfindlich waren, dass sie vom Knacken meines Knöchels, als ich das Schlafzimmer verlassen wollte, stets wieder schreiend aufgewacht sind. Und für beide Fälle konnte ich nichts. Ich hatte weder etwas falsch noch etwas richtig gemacht. Es war die Persönlichkeit dieser kleinen Wesen, die da auf die Erde kommen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Hoffentlich ein Auslaufmodell!

Auch hier könnte ich ewig weitererzählen. Doch eine Sache mag ich noch benennen, weil es mir ein besonderes Anliegen in Sachen Vereinbarkeit ist. Der/die Lebenspartern/in. Ich nenne ihn/sie aus Gründen der besseren Verständlichkeit „Vater des Kindes“, da ich hier auch vornehmlich für Frauen schreiben. Und ja, es gibt sie, die neue Generation Mann. Die Männer, die mehr Impact im Familienleben wollen – sie binden Tragetücher und wechseln Windeln! In solchen Momenten denke ich immer: Gut so… und mag mich fast schon zufrieden lächelnd zurücklehnen.

Doch dann fallen mir da wieder die Väter ein, die es da immer noch gibt. Die nicht mal imstande sind, ihre eigenen Hemden zu bügeln, ihr dreckiges Geschirr vom Tisch in die Spüle zu stellen und Schweißausbrüche bekommen, wenn sie ihr 5-jähriges Kind ins Bett bringen sollen. Da bin ich sehr klar, – auch wenn ich eine Haltung habe, das muss jede/r machen, wie er/sie will. Dieses beschriebene Modell Mann ist für mich und in Sachen Vereinbarkeit nicht mehr zeitgemäß und hoffentlich ein Auslaufmodell.

Das familienfreundliche Unternehmen?

Doch nun zur dritten und letzten Dimension der Vereinbarkeit. Die für mich machtvollste und zeitgleich zu wenig ausgeschöpfte Chance. Ein Feld, in welchem die zahlreichen Karrierekiller lauern.

Ein Stellhebel, der so powervoll ist, dass ihn vielleicht gerade deshalb viele vergessen haben oder erst gar nicht sehen wollen: Die betriebliche/kulturelle Dimension. Es sind die Arbeitgeber, die Unternehmen, die Unternehmenskulturen, welche Vereinbarkeit möglich machen oder vehement verhindern – und damit Karriere killen.

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3 Dinge für die Vereinbarkeit

Um es gleich auf den Punkt zu bringen, braucht es meines Erachtens drei Dinge: Zum einen konkrete Maßnahmen für Mütter und auch Väter. Programme und Weiterbildungen für werdende Eltern, Mentoring-Maßnahmen während der Elternzeit, Onboarding nach der Elternzeit und, und, und …

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Zum Zweiten braucht es eine Kultur, in der jeder familienfreundlich mitdenkt. Die Schweden machen es uns auch hier wieder vor. Da gibt es zum Beispiel die Möglichkeit, abends noch in der Kantine vorbeizuschlendern und sich eine Tüte „Abendessen“ für die Familie mitzunehmen. Erspart unglaublich viel Zeit und macht gute Laune.

Aber auch eine Kultur, in der man und frau ihr „Elternsein“ nicht verstecken müssen. In der es nicht nur ok, sondern sogar erwünscht ist, um 16:00 Uhr das Büro zu verlassen, um die Kinder abzuholen, – während man und frau sich ja ohnehin gegen 21:00 Uhr nochmals vor den Laptop setzt.

Was mit dem dritten Punkt einhergeht: Ehrlichkeit und Offenheit. Es braucht aus meiner Sicht aufseiten Arbeitgeber mehr Verständnis fürs Elternsein. Verständnis einerseits im Sinne der Rücksichtnahme aber vor allem Verständnis im Sinn von Verstehen. Verstehen wollen, was die Herausforderungen junger Eltern wirklich sind. Was sie bewegt, welche Ziele sie haben, was sie erwarten …

Und genau das hat seinen Preis: Bewusstsein auf allen Ebenen. Wir alle, ob mit oder ohne Kinder, haben es in der Hand, ob Karrieren gelingen. Wenn Karrieren gekillt werden, dann killt hier kein Kind. Sondern vielmehr haben wir alle – als Kollegen, Vorgesetzte, Arbeitgeber, ja auch als Gesellschaft – einen kleinen Anteil daran. Denn Vereinbarkeit geht uns alle an und dafür braucht es in erster Linie Verstehenwollen, was Elternsein wirklich bedeutet.

 

Karrierekiller Kind? Nein!!

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Lust auf mehr?
Hier gibt es noch mehr zum Thema Vereinbarkeit und der Rubrik Working Moms.

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